Die Musik trägt sie durchs Leben
Text: Daniel Göring, Foto: Tino Kistler
Ein Akkord auf einer akustischen Gitarre ertönt, nach einigen Sekunden setzt eine satte, glasklare Stimme ein: «There’s a fire starting in my heart, reaching a fever pitch, it’s bringing me out the dark.» Das Lied heisst «Rolling in the deep» und stammt aus der Feder der britischen Sängerin Adele. Doch nicht die Pop-Ikone intoniert den Song, sondern Sandra Cardi. Seit fast 25 Jahren ist sie die Stimme von Hardhat, einer Band aus dem Berner Oberland, die sich mehrheitlich der Rock-, Blues- und Country-Musik verschrieben hat. Bis zu einem Dutzend Mal pro Jahr steht sie mit der fünfköpfigen Formation auf der Bühne.

Sandra Cardi ist seit fast 25 Jahren die Stimme von Hardhat
«Die Musik trägt mich», erklärt die energievolle Frau, die als Leiterin Administration in der Psychiatrie des Spitals Interlaken arbeitet. «Sie ist da, wenn ich mich gut fühle, aber auch wenn es mir schlecht geht, und sie ist da, wenn es darum geht, Gefühle auszudrücken.» Die Freude an der Musik zeigte sich früh bei Sandra Cardi. «Ich habe schon als kleines Mädchen immer gerne gesungen.» Sie erinnert sich daran, wie sie zur hellen Freude ihrer Eltern oft das Lied «Im schöne grüene Wald» vorgetragen habe.
Tonleitern singen: nein danke
Sandra Cardi spürte bald, dass sie mehr aus ihrer Passion machen wollte. In der Jugendzeit nahm sie sich vor, mit dem ersten selbstverdienten Lohn Gesangsstunden zu nehmen. Darüber, was aus dem Vorsatz geworden ist, muss sie heute lachen: «Nach vier Stunden hörte ich auf.» Tonleitern rauf- und runtersingen sei nicht ihre Sache gewesen. Sie brauche Freiraum, um sich ausdrücken zu können, hält sie mit Bestimmtheit fest. «Für mich muss die Musik aus dem Bauch heraus kommen, sonst wirken die Songs nicht authentisch.»
«Für mich muss die Musik aus dem Bauch heraus kommen, sonst ist sie nicht authentisch.»

Sandra Cardi mit ihrer Band Hardhat am Konzert vom 3. Juli 2025 in Brienz
In der ersten Band, der sie sich anschloss, fand Sandra Cardi den Freiraum ebenfalls nicht. Also rief sie sämtliche Musikgeschäfte in der Region an und fragte, ob die Betreiber zufälligerweise von einer Band wüssten, die eine Sängerin suchte. Die eher unkonventionelle Anfrage zahlte sich aus. Kurze Zeit später erhielt sie die Einladung, mit der Gruppe Hardhat zu proben. «Wir merkten sofort, dass die Stimmen von Housi Schild und mir harmonierten», erinnert sich Sandra Cardi. Seither ist sie die Frontfrau der Formation und bezeichnet diese inzwischen liebevoll als «Familie».
Ein wilder Stilmix
Ob Rock, Blues, Country oder Disco-Musik, querbeet durch die Stilrichtungen reihen sich die Songs von Hardhat aneinander. «Ein wilder Mix» nennt Sandra Cardi das Repertoire und lacht herzhaft auf. «Wir spielen Songs, an denen wir Spass haben.» Wie findet die Band neues Material? «Ganz einfach», erläutert Sandra Cardi, «jemand bringt einen Vorschlag ein, und wir alle entscheiden mit Daumen rauf oder runter, ob das Stück ins Programm kommt oder nicht.» Was auch mal zur Folge haben kann, dass sie ein Lied vortragen muss, das ihr nicht so nahesteht wie ihren Kollegen. Das schmälert ihre Gesangsfreude jedoch keineswegs. «Die Liebe zu einem Song kann sich auch beim wiederholten Singen einstellen», meint Sandra Cardi vielsagend. Nicht zu hören bekommt das Publikum von Hardhat eigene Lieder. Der Grund dafür ist ein einfacher, wie Sandra Cardi offen eingesteht: «Unser Talent liegt beim Musik machen, nicht beim Songschreiben.»
In dem Vierteljahrhundert als Sängerin hat Sandra Cardi Hunderte von Auftritten absolviert. Welches ist für sie der grösste Gig gewesen? Auch wenn sie die Konzerte an einigen Festivals mit Stolz erfüllen, mag sich Sandra Cardi nicht auf ein einzelnes festlegen. «Ein Auftritt in einem kleinen Club kann ebenso ‹fäge› wie einer an einem Festival vor über tausend Leuten.»

Sandra Cardi arbeitet als Leiterin Administration der Psychiatrie im Spital Interlaken.
Eine andere Rolle im Spital
Wenn Sandra Cardi nach einem Abend auf der Bühne, die Songs und den Applaus des Publikums noch im Ohr, am nächsten Morgen ins Büro kommt, bringt sie die Musik zwar im Herzen mit, aber nicht im Kopf. «Meine Rolle als Sängerin ist eine ganz andere als beim Job, den ich im Spital habe. Die Musik ist meine Liebe, aber nicht bei der Arbeit.» Obwohl ihr auch letztere erbauliche Empfindungen beschert. «Ich habe es hier mit verschiedenen interessanten Menschen zu tun. Mit ihnen zusammenarbeiten zu können, gibt mir tagtäglich ein gutes Gefühl.» Der Gesichtsausdruck zeigt, dass die Sätze in ihrem Inneren wie eine eingängige Melodie resonieren.

Zur Person
Sandra Cardi lebt mit ihrem Partner und dem gemeinsamen Sohn auf dem Beatenberg. Ihre Rollen als Mutter, Partnerin, Sängerin, Leiterin Administration und Gastgeberin einer Ferienwohnung bescheren ihr nach eigenen Angaben «volle Tage». Dennoch findet sie noch Zeit für Wanderungen, Schwimmen, Skifahren und die Gartenpflege. Aus den Pflanzen, die sie dort anbaut, stellt Sandra Cardi verschiedene Produkte her.

Kommentare
Noch keine Kommentare vorhanden