Teamworker aus Leidenschaft
Text: Daniel Göring / Bettina Grässli, Foto: Bettina Grässli
Die Chefarztfunktion hat Ulrich Steinhart im Herbst 2021 von seinem Vorgänger übernommen. Der gebürtige Österreicher kann aus seiner grossen Arbeitserfahrung schöpfen, sei es als Kliniker im Spital, sei es als niedergelassener Facharzt mit eigener Praxis.
Andere Region, andere Mentalität
Der 59-Jährige schätzt die übersichtliche und persönliche Spitalstruktur in Frutigen, und auch die Region ist ihm ans Herz gewachsen. Der Naturfreund und passionierte Skifahrer sucht den Ausgleich in der Natur, was ihn zu einem guten Beobachter macht. Die Mentalität auf dem Land ist anders als in der Stadt, die Gewichtung der Problematiken zuweilen auch, wie er betont. Viele Frauen im Einzugsgebiet des Spitals Frutigen haben als oft mehrfache Mutter ein Leben lang körperlich hart gearbeitet, was Spuren hinterlässt.
Ulrich Steinhart hat sich auch auf die Beckenboden- und Inkontinenz-Chirurgie spezialisiert und bringt diese dann zur Anwendung, wenn konservative Therapien mit Physiotherapie und speziellen Medikamenten zu wenig greifen. Zur Behebung von Beckenbodensenkungen gibt es verschiedene Operationsverfahren. Welches eingesetzt wird, hängt von den Organen ab, die von der Senkung betroffen sind. Nach Möglichkeit werden die Eingriffe minimalinvasiv und schonend, das heisst ohne Bauchschnitt durchgeführt.
Häufige, doch unterdiagnostizierte Krankheit
Ein weiterer Schwerpunkt von Dr. Steinhart ist die Behandlung von Endometriose (Absiedelungen von Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutter), einer häufigen, gutartigen, meist schmerzhaften Krankheit. Sie gilt als eher unterdiagnostiziert, dabei ist fast jede zehnte Frau in der Schweiz davon betroffen. Durchschnittlich knapp sechs Jahre verstreichen zwischen dem ersten Besuch beim Frauenarzt oder der Frauenärztin wegen Unterleibsschmerzen und der Diagnose der Erkrankung.
Endometriose als Ursache von Schmerzen ist meist nicht leicht festzustellen. Auch eine Ultraschalluntersuchung stösst manchmal an ihre Grenzen, sodass oft eine Bauchspiegelung als diagnostische «Armverlängerung» in Anspruch genommen wird. Dabei lässt sich die Bauchhöhle mithilfe einer Kamera direkt betrachten. Gleichzeitig kann auch die Therapie erfolgen und durch Medikamente unterstützt werden.
Respekt und Vertrauen als A und O
Der Gynäkologe und Geburtshelfer legt grossen Wert auf Teamwork und Vertrauen. Ein guter Umgang mit Menschen ist ihm sehr wichtig, gegenseitiger Respekt zentral.
«Ich sehe meine Rolle
als sorgfältiger Beobachter im Hintergrund.»
Schon in Österreich machte Ulrich Steinhart im Rahmen eines von ihm etablierten Hebammenzentrums durchwegs sehr gute Erfahrungen mit freiberuflichen Hebammen. Auch deshalb ist er vom Beleghebammen-Prinzip am Spital Frutigen mehr als angetan: Die Zusammenarbeit im Team auf Augenhöhe sieht er als spannendes Miteinander. Dass dieses Modell so beliebt ist, verwundert ihn nicht. Denn es ermöglicht der Mutter, durch die Vertrautheit mit der Hebamme wesentlich entspannter zu bleiben, was sich sehr positiv auf den Geburtsverlauf auswirkt. Seine Rolle sieht Dr. Steinhart als die eines sorgfältigen Beobachters, der möglichst im Hintergrund bleibt.
Die «ganz persönliche» Hebamme
Das Prinzip der Beleghebammen, die als freischaffende Hebammen unter der Verantwortung des Chefarztes oder der Chefärztin selbständig Geburten durchführen, ist überregional bekannt und beliebt. Am fmi-Spital Frutigen sind die zehn selbstständigen Beleghebammen nicht wegzudenken. Sie sorgen für die individuelle Betreuung der Frauen durch Geburtsvorbereitungskurse, Schwangerschaftsbetreuung, die Geburtsleitung im Spital, Wochenbett und die Stillberatung. Schon während der Schwangerschaft kann die «ganz persönliche» Hebamme zu den werdenden Eltern eine Vertrauensbeziehung aufbauen und ist vor und nach der Geburt für sie und das Neugeborene da.
Dieses vertraute Setting ermöglicht Unterstützung auch bei schwierigen Entscheidungen wie beispielsweise der pränatalen Diagnostik: Ein Gespräch mit der Hebamme ermöglicht einen anderen Blickwinkel und bestärkt die Familien darin, ihre eigenen Antworten auf die sich stellenden Fragen zu finden. Dabei arbeiten die Beleghebammen eng mit den jeweiligen Gynäkologinnen und Gynäkologen zusammen. Das ist auch dann besonders wichtig, wenn bei einer Geburt Komplikationen auftreten: Die Beleghebamme kennt die persönliche Vorgeschichte und versucht, die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern umzusetzen. Bedingt die hebammengeleitete Geburtshilfe den Einbezug einer ärztlichen Fachperson, ist dies zu jeder Zeit möglich.
Die Beleghebamme begleitet die Schwangeren ab Einsetzen der Wehen im Spital während der ganzen Geburt. Danach übergibt sie die Betreuung an die Pflegenden der Wochenbettabteilung. Nach Spitalaustritt, der individuell mit dem Paar geplant wird, begleitet die Hebamme die Familie auch während des Wochenbetts zu Hause.
Zur Person
Dr. med. Ulrich Steinhart ist Facharzt für operative Gynäkologie und Geburtshilfe. Der Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am Spital Frutigen führte lange Jahre eine Praxis, kennt aber auch die klinische Seite bestens. Unter anderem war er Chefarzt der Frauenklinik im Spital Lachen/SZ. Steinhart ist naturverbunden, treibt aktiv Sport und liebt die Berge.
Kontakt
Spital Interlaken
Geburtshilfe
Tel-Nr. +41 33 826 23 11*
i.gynaekologietest@spitalfmi.ch
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